Berufseinstieg 2.0: Wie Siemens mit dem JobShop junge Talente für sich gewinnt

Junge Zielgruppen begeistern und gewinnen – eine Herausforderung für viele Betriebe und doch sind Berufseinsteiger:innen entscheidend für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens. Das gilt auch für Siemens. Denn trotz hoher Bekanntheit und einem attraktiven Ausbildungsangebot inklusive vieler Benefits machen die Folgen des demografischen Wandels auch vor diesem Global Player nicht Halt. 

Innovatives Berufseinsteiger-Recruiting als Antwort auf den Fachkräftemangel 

1.000 Plätze für eine Ausbildung oder ein duales Studium hat Siemens jährlich jeweils für das Folgejahr zu besetzen - ein Unterfangen, das zunehmend schwieriger wird. Trotz attraktiver Benefits und einer langen Tradition in der Ausbildung, spürt der Innovationsleader im Bereich technische Aus- und Weiterbildungen den wachsenden Fachkräftemangel. Die Herausforderung, junge Talente für sich zu gewinnen, ist auch hier spürbar. Insbesondere die hohe Fluktuation nach Vertragsunterschrift und vor dem ersten Tag des Ausbildungsstarts, stellt für den globalen Technologieführer eine echte Challenge dar. Diese Verluste in kurzer Zeit vor Ausbildungsbeginn zu kompensieren, ist eine große Herausforderung, der sich das Unternehmen in der Azubi-Ansprache stellen möchte. 

Siemens ist bekannt dafür, immer mit den neuesten Technologien und höchsten Standards zu arbeiten – wieso also nicht auch im Bereich Recruiting? Das Talent Relationship Management der Siemens Professional Education hat es sich zum Ziel gesetzt, die Rekrutierung von Berufseinsteiger:innen zu optimieren und den steigenden Bedarf an neuen Mitarbeitenden effizienter zu decken. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet das Team in verschiedenen Projekten. Durch die WebApp SIEYA wurde ein innovatives Tool geschaffen, um mit gamifizierten Lösungen und digitalen Erlebniswelten Berufsorientierung und Talentgewinnung zu steigern. Zudem braucht es eine optimale Candidate Journey mit einer Karriereseite als Zentrum des Bewerbermarketings. Siemens definiert dafür drei zentrale Anforderungen:

1. Orientierungsmodule einbauen: Klare Wege für die Berufsorientierung schaffen

2. Sprache der Altersgruppe sprechen: Die Zielgruppe dort abholen wo sie steht

3. State of the Art Website: Eine optimale Candidate Journey entwickeln 

Der JobShop von Siemens (ausbildung.siemens.com)

Analyse: Bedürfnisse der Gen Z und die derzeitige Young Talent-Kommunikation bei Siemens

Um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen und die Anforderungen bestmöglich im Sinne der Zielgruppe zu erfüllen, hat das Unternehmen die Zielgruppe erst einmal gründlich analysiert. Wie tickt die Generation Z? Und wie ist die Young Talent-Kommunikation bei Siemens derzeit aufgestellt? 


Berufsorientierung der Gen Z

Eine von Siemens beauftragte Studie des Marktforschungsinstituts Ipsos beschreibt die Zielgruppe als “Generation Lost”. Sie fühlt sich überfordert und unsicher in Bezug auf ihre Zukunft und das insbesondere im für Siemens relevanten MINT-Bereich. Technische Berufe und Studiengänge sind für die Zielgruppe wenig vorstellbar. Bewerber:innen der Gen Z interessieren sich besonders für authentische Einblicke in den Job und das Unternehmen und benötigen eine Visualisierung des Berufsalltags. Videos und Inhalte zu Themen wie Verdienst und Entwicklungsmöglichkeiten sind für die jungen Talente auf Ausbildungswebsites relevant. 

Aber wie sieht die klassische Reise eines Kandidaten auf dem Weg zu Siemens eigentlich aus? Ein wichtiges Sprachrohr der Gen Z sind nach wie vor ihre Eltern. Im Auswahlprozess um den Berufsstart reden sie noch ein Wörtchen mit und machen die jungen Talente oft auf die Ausbildung und das duale Studium bei Siemens aufmerksam. An dieser Stelle wissen die Berufsstarter:innen aber meistens noch nicht, was oder wohin sie wollen. Sie landen auf der Karriereseite und sind im Unklaren darüber, was Siemens als Arbeitgeber auszeichnet, welche Ausbildungsmöglichkeiten es dort gibt und vor allem  – welche dieser Angebote perfekt zu ihnen passen würden. Die Individualisierung der Candidate Journey für diese Zielgruppe war auf der bestehenden Karriereseite nicht möglich. 

Die Kommunikation auf der Homepage – begrenzte Möglichkeiten, aufwändige Prozesse

In 2018 hatte Siemens mit Performanceproblemen und hohen Kosten bei der Website-Gestaltung zu kämpfen. Die Möglichkeiten, eine Karriereseite aufzubauen, die genau auf die Bedürfnisse der jungen Zielgruppe zugeschnitten ist, waren stark limitiert.  

Das Unternehmen nutzte bereits eine Vielzahl von Recruiting-Kanälen, darunter Azubi-Portale, die Karriereseite, Messen, Partnerschul-Programme und gezielte Kampagnen auf Plattformen wie Instagram. Dabei war der Weg der Candidate Journey immer klar: Alles führte zur Karriereseite. Ab diesem Zeitpunkt gestaltete sich die weitere Candidate Journey jedoch schwierig. Das ursprüngliche Content Management System erfüllte nicht die spezifischen Anforderungen für die Ausbildungssuche. Dies führte zu einer teuren und aufwändigen Anpassung durch Agenturen und Zusatz-Apps. Die begrenzten Darstellungsmöglichkeiten und die Performance-Einbußen der Seite erschwerten den Bewerbungsprozess erheblich. Durch die zusätzlichen Applikationen fehlten Siemens aussagekräftige Daten zum Bewerber- und Klickverhalten auf der Karriereseite, was es schwer machte, Benchmarks und Anhaltspunkte für konkrete Optimierungen zu finden. 

Auf Basis dieses Wissens zeigte die Analyse, dass der zielgruppenspezifische Content wegen technischer Barrieren nicht gut dargestellt werden konnte, die Tonalität zu stark aus Siemens Perspektive gedacht war und sie den Anforderungen der Gen Z nicht gerecht wurde. Die gesamte Candidate Journey war wenig intuitiv – insbesondere aus Sicht von jungen Kandidat:innen. Die Texte der Stellenanzeigen gingen fachlich zu sehr ins Detail und die visuelle Umsetzung bot noch viel Luft nach oben. 

„Es ist essentiell, unsere Zielgruppe aktiv bei der Berufsorientierung zu unterstützen und im besten Fall für das innovative Berufsportfolio und die spannenden Tätigkeitsfelder bei Siemens zu begeistern. Dies erreichen wir durch die stetige Weiterentwicklung innovativer Formate und die kanalübergreifende Interaktion auf Augenhöhe mit der GenZ auf Events, in Social Media und natürlich auf unserer Karriereseite."
Stefan Zeidler, Teamlead Talent Relationship Management

Die Lösung

Die Zielgruppenansprache von Siemens sorgte nicht für den gewünschten Erfolg. Eine stolperfreie Ansprache der Gen Z wurde damit eine der wichtigsten Anforderungen im Optimierungsprozess der Karrierewebsite. Im Hinblick auf eine reibungslose Candidate Journey und die Bedürfnisse der Gen Z, ergaben sich dadurch folgende Lösungsansätze:

  • ●     Die Karrierewebsite soll attraktiver gestaltet werden.     
  • ●     Der Fokus wird auf der Berufsfindung der Zielgruppe gelegt.
  • ●     Bewerbungsprozesse müssen verbessert werden.
  • ●     Die Interaktion mit potenziellen Bewerber:innen soll erleichtert werden.
  • ●     Eine nahtlose, aus Bewerbersicht gedachte Candidate Journey muss geschaffen werden.
  • ●     Innovative Technologien wie KI-Tools sollen integriert werden, um die Bedürfnisse der Gen Z optimal zu erfüllen.

Die Umsetzung

Der Kern der Lösung war der JobShop von talentsconnect. Eine viel erprobte Karriereseite, die den Ansprüchen an eine moderne Candidate Experience gerecht wird und mehr qualifizierte Bewerbungen konvertiert. Mit ihrem Aufbau bot sie die perfekten Voraussetzungen, um die Anforderungen von Siemens zu erfüllen. 

Klare Struktur für die optimale Berufswahl

Durch eine übersichtlichere Darstellung von Berufen in Jobfamilien wurde der Karrierewebsite eine Struktur gegeben, die zum Informationsbedürfnis der jungen Zielgruppe passt – sowohl auf dem Desktop als auch in der mobilen Ansicht. Wo vorher nur Dropdown-Menüs den Zugang zu einzelnen Jobs möglich machten, kann Siemens heute ganze Jobfamilien darstellen und so die Jobsuchenden dort abholen wo sie stehen: bei der beruflichen Orientierung. So können Berufseinsteiger:innen beispielsweise auf einen Blick sehen, ob die Jobfamilie Elektrotechnik für sie attraktiv ist und ob es sich lohnt, tiefer in die dort angebotenen Jobs einzutauchen. 

Die Karriereseite bietet nicht nur besser verfügbare Informationen und Orientierung, sondern präsentiert auch die Inhalte selbst in einem frischen Gewand und zielgruppenorientierter Aufmachung. Das Siemens Professional Education (SPE) Team startete die Kampagne “Alles mit Zukunft”. Siemens wird teilweise immer noch als konservativer Großkonzern gesehen, der vor allem Haushaltsgeräte herstellt. Mit der Kampagne räumten sie mit Vorurteilen auf. Mit gezielten Berufsbeschreibungen, Benefits und Erfolgsstories begegnen sie der Gen Z auf Augenhöhe und unterstützen sie bei ihrer Berufswahl. Die Kernbotschaft dabei: „Bei Siemens hast du vielfältige Möglichkeiten, deine individuellen Interessen und Talente in einem Beruf einzusetzen, der die Welt von morgen aktiv zum Besseren mitgestaltet. Mit einer Ausbildung oder einem dualen Studium bei uns kannst du dir sicher sein, du machst… Alles mit Zukunft.”

Der Siemens JobShop macht auch in der mobilen Ansicht eine gute Figur. 

Datengestütztes Recruiting und maximale Transparenz

Mit dem neu etablierten Recruiting Home im JobShop hat das Unternehmen zusätzlich volle Datentransparenz und kann aussagekräftige Daten zum Klickverhalten der Bewerber:innen nutzen, um gezielt zu entscheiden, welche Inhalte an welcher Stelle im Jobprofil für die Gen Z nützlich sind und ob sie wirklich funktionieren. Dabei profitiert das Unternehmen von Benchmarks aus Daten von über drei Millionen Nutzer:innen anderer JobShops pro Jahr, die dabei unterstützen, kontinuierliche Verbesserungen zu gewährleisten und die Weiterentwicklung der Recruiting-Strategie voranzutreiben. 

Zusätzlich zu dieser grundlegenden Neuaufstellung der Karriereseite, werden drei zentrale KI-gestützte Elemente eingesetzt, die Orientierung, Karriere-Information und die Online Bewerbung grundlegend erleichtern und die digitale Bewerberreise neu erfinden: 

1.Chatbot

Der Chatbot, liebevoll als "SieMe" betitelt, wurde speziell entwickelt, um eine Vertrauensperson und kompetenten Berater für Jugendliche zu repräsentieren. Mit einer altersgerechten Sprache spricht er die Zielgruppe direkt an und steht für sämtliche Fragen rund um Siemens als Arbeitgeber zur Verfügung. Durch die Integration von künstlicher Intelligenz kann der Chatbot nicht nur zu Siemens-spezifischen Informationen Auskunft geben, sondern auch eine schier endlose Palette an Fragen beantworten und Small-Talk mit der Zielgruppe führen. Vor allem aber stehen Informationen zu Standorten, angebotenen Ausbildungsgängen, Gehalt oder auch Engagement im Bereich Nachhaltigkeit im Vordergrund. Dank des Einsatzes von Machine Learning handelt es sich um einen lernenden Bot, der durch Interaktion und Fehler kontinuierlich dazu lernt. 

2. Jobfinder:

Der Jobfinder ist ein kurzer und knackiger Matching Wizzard, der auf spielerische Weise dazu einlädt, potenzielle Ausbildungs- und Studiengänge zu entdecken. Er verwandelt die Such- in die Antwortlogik: Die jungen Talente beantworten einige wenige Fragen zu ihrem Ausbildungsgrad und ihren Interessen. Auf der Basis dieser Informationen werden Fähigkeiten und Kompetenzen ermittelt und dadurch eine passende Persona erstellt. Das Ergebnis: treffende Jobvorschläge für diese Persona in Prozentangaben und damit handfeste Vorschläge für passende Ausbildungs- und Studiengänge von Siemens. 

Die Ergebnisse

Seit 2018 ist der JobShop von Siemens live und im Herbst 2023 fand ein erfolgreiches Relaunch statt für den “Berufseinstieg 2.0”. Alle Marketing-Maßnahmen zielen darauf ab, potenzielle Bewerber:innen zur Karriereseite zu führen, sie dort an die Hand zu nehmen und zu einer Bewerbung zu bewegen. Die Ergebnisse lassen nicht lange auf sich warten und sind bereits jetzt mehr als vielversprechend: 

  • ●     Mit dem JobShop konnte die User Experience deutlich verbessert werden und eine hervorragende Conversion Rate erreicht werden:  12% aller Nutzer klicken auf Bewerben.
  • ●     Die Inhalte sind überzeugend – das zeigt auch die Verweildauer auf der Karriereseite, denn Siemens liegt mit 3 Minuten und 49 Sekunden über der Benchmark von 3 Minuten und 20 Sekunden. 
  • ●     Die hohe Userzahl und gleichzeitig tiefe Absprungrate von nur 18% untermalt, dass die Candidate Experience heute ebenfalls deutlich effektiver gestaltet ist. 
  • ●     Der Jobfinder ist erfolgreich: Wer den Wizzard ausfüllt, hat eine 3% höhere Wahrscheinlichkeit, sich zu bewerben. 

Fazit und Ausblick

Durch eine umfassende Neugestaltung der Kommunikations- und Bewerbungsstruktur, die sich verstärkt auf die Zielgruppe junger Talente fokussierte, wurde der Recruiting-Erfolg bei Siemens seit 2018 maßgeblich vorangetrieben. Damit ist der JobShop nicht nur der optimale Haupt-Touchpoint mit der Zielgruppe, sondern auch das Herzstück der gesamten Recruiting-Strategie. Die überzeugenden Ergebnisse dieses nationalen Erfolgs haben dazu geführt, dass das Projekt nun auch auf Österreich ausgeweitet wird. Hier besteht bereits großes Interesse, den Jobfinder zu integrieren, um die Effizienz und Wirksamkeit der Karriereseite weiter zu steigern. 

Die Reise zum besseren Berufseinstieg ist an dieser Stelle aber lange nicht vorbei. In Kooperation mit talentsconnect arbeitet Siemens weiterhin an Konzepten, die das Unternehmen im Bereich Recruiting für aufstrebende Talente weiter nach vorne bringen. Geplant ist beispielsweise eine umfangreiche Kanalanalyse, A/B Testing von neuen Kanälen und den Ausbau der organischen Reichweite des Siemens JobShops durch SEO, um die stärksten Zubringerkanäle für Berufseinsteiger:innen zu identifizieren, mehr passende Reichweite zu generieren und gleichzeitig Kosten zu senken. Ferner soll die Frühfluktuation durch ein zielgruppenspezifisches Pre-Boarding Konzept signifikant reduziert werden, sodass die Auszubildenden und dualen Studierenden, die bei Siemens einen Vertrag unterschreiben, auch wirklich am ersten Tag antreten. Durch diese Maßnahmen wird nicht nur die Effizienz im Recruiting gesteigert, sondern auch die langfristige Bindung von jungen Talenten im Siemens Konzern verbessert.